Ernährungsberaterin Claudine Hiltbrunner

Das sind die einzig wahren «Superfoods»

Ein Müesli mit «Acai-Beeren» oder «Goji-Beeren» zum Frühstück: In den sozialen Medien werden exotische «Superfoods» extrem hochgeschaukelt. Dass die weit hergereisten Lebensmittel aber gar nicht so viel Sinn machen erklärt die Ernährungsberaterin Claudine Hiltbrunner im Interview.

Claudine Hiltbrunner, dank den Sozialen Medien ergibt sich jeweils ein regelrechter Hype um die «Superfoods». Sind also beispielsweise exotische Acai Beeren wirklich so viel gesünder als unser herkömmlicher Spinat?

 

Superfood ist ein Marketingbegriff für Lebensmittel, die einen besonderen gesundheitlichen Benefit erbringen sollten. Konzentriert man sich rein auf die Nährstoffe, die beispielsweise die Acai-Beeren enthalten, so liefern diese viele wertvolle Vitamine, Mineralstoffe sowie sekundäre Pflanzenstoffe. Für eine gesunde und ausgewogene Ernährung werden exotische «Superfoods» wie Acai, Chia, Goji-Beeren etc. jedoch nicht benötigt. Es handelt sich dabei um Trendlebensmittel. Zudem geraten diese exotischen «Superfoods» immer wieder in Verruf, stark mit Pestiziden belastet zu sein. So schadet man nebst dem langen Transportwegen nicht nur der Umwelt, sondern vielleicht sogar der eignen Gesundheit.

 

Was wäre also sinnvoller?

 

Gemüse sowie Früchte liefern alle wertvollen Nährstoffe. Beim Gehalt der Nährstoffe spielt der Anbau der Lebensmittel eine wichtige Rolle. Studien zeigen, dass biologisch angebaute Gemüse- und Obstsorten einen dichteren Nährstoffgehalt haben, als konventionell produzierte. In einer gesunden Ernährung sollte auf eine frische, saisonale sowie regionale Auswahl geachtet werden, damit man von möglichst vielen verschiedenen Nährstoffen profitieren kann.

 

Gibt es also «heimische Superfoods» - auch auf die «Gefahr» hin, dass die nicht so spannend tönen wie Acai Beeren?

 

Ja klar. Grünkohl, Randen, Mangold, Portulak, Spinat, Löwenzahn, Brennnessel, Sprossen aller Art, Hirse, Leinsamen, Kürbiskerne und diverse Beeren wie Blaubeeren, Johannisbeeren, Himbeeren sind sehr gesund. Viele heimische Superfoods wachsen auch bei uns im Garten oder Wald. Frischer und gesünder geht es nicht.

 

Dennoch vermarkten viele Influencer und Blogger den Stil der exotischen Superfoods. Wie hat sich Ihre Arbeit dadurch verändert? Mit welchen Fragen werden Sie am meisten konfrontiert?

 

Es fällt mir auf, dass einige Klienten auch Superfoods konsumieren – auch exotische. Es ist meine Aufgabe, meine Klienten darüber aufzuklären und ihnen die Vor- sowie Nachteile der einzelnen Nahrungsmittel aufzuzeigen. Häufige Fragen sind: Chia oder Leinsamen? Was ist mit Avocado, brauche ich die für eine gesunde Ernährung? Sind Goji-Beeren besser als Heidelbeeren?

 

Was sie aber nicht sind, wie wir gerade erfahren haben.

 

Genau. Auch Fragen im Zusammenhang mit Pestizid-und Schwermetallbelastungen der Superfoods tauchen auf. Und in diesem Zusammenhang auch Unsicherheiten bezüglich der Herkunft und des Anbaus.

OFFA - Claudine Hiltbrunner
Claudine Hiltbrunner

Viele machen sich also Gedanken über die Nahrungsmittel, die sie sich vielleicht vorher nie gemacht haben. Nicht zuletzt durch das Corona-Virus steht die Gesundheit im Mittelpunkt. Wie sollten wir uns denn ernähren, damit unser Immunsystem gut arbeiten kann?

 

Eine langfristig gesunde Ernährung und die damit verbundene ausreichende Abdeckung an Mikronährstoffen ist für ein starkes Immunsystem sowie für unsere Abwehrkräfte sehr wichtig. Unser täglicher Lifestyle, der Umgang mit Genussmittel, unsere Selbstachtsamkeit und die Bewegung an der frischen Luft nehmen aber eine genauso wichtige Rolle ein.

 

Wie sieht eine gesunde Ernährung aus?

 

Ich empfehle meinen Klienten, auf eine mehrheitlich pflanzenbasierte Ernährung zu achten. Wobei tierische Produkte aus artgerechter Tierhaltung das Ganze abrunden können. Frische, saisonale, regionale und vor allem bunte Mahlzeiten sind wichtig. Viel Gemüse, Obst, Kräuter mit ausreichend hochwertigen Fetten, beispielsweise aus Nüssen, ausreichend Proteine, aber auch der regelmässige Einsatz von Gewürzen und Kräutern, sollten im Vordergrund stehen. Als Stärkebeilage eignen sich eher komplexere Kohlenhydrate wie Hirse, Dinkel, Roggen, Süsskartoffeln, Haferflocken und Vollkornreis. Dabei sollte möglichst auf verarbeitete Lebensmittel verzichtet werden. Kurz gesagt: Zwei bis drei ausgewogene Hauptmahlzeiten. Zwischenmahlzeiten braucht der erwachsene Mensch nicht mehr.

 

Weshalb?

 

Durch diese Esspausen können die Verdauungsorgane die Mahlzeiten richtig verdauen, die Nährstoffe aufnehmen und der Stoffwechsel allgemein entlastet werden. Grundsätzlich gilt Qualität vor Quantität.

 

Gibt es derzeit, gerade auch im Hinblick auf Corona, ein besonders wichtiges Lebensmittel, welches vor Infektionen schützen kann?

 

Nein, nicht einzelne Lebensmittel unterstützen unser Immunsystem, sondern die darin enthaltenen Vitamine, Mineralien sowie sekundäre Pflanzenstoffe. Gemäss Studien helfen Vitamin D, Vitamin A, Vitamin C, Selen, Zink sowie Omega 3. Aber auch die sekundären Pflanzenstoffe dürfen nicht vergessen gehen. Wichtig zu wissen ist, dass ein guter Ernährungszustand die Infektion per se nicht verhindert, jedoch die Folgen, insbesondere entzündliche Reaktionen, welche zu den Symptomen führen, deutlich mildern kann. Spürt man, dass sein Immunsystem einen extra «Boost» benötigt, kann ein Ingwer-Kurkuma-Honig Tee oder eine wärmende Hühnersuppe nach Grossmutters Rezept nützlich sein.

 

Die Restaurants sind geschlossen, viele von uns arbeiten im Homeoffice. Eine Chance, um uns allgemein gesünder zu ernähren? Oder ist das Gegenteil der Fall – dass Süssigkeiten und Co locken?

 

Gerade in der jetzigen Situation wird vielen bewusst, wie wichtig die Gesundheit ist und welch wichtige Rolle die Ernährung spielt. Ich beobachte ganz klar beides. Es gibt viele, welche das Kochen neu für sich entdecken. Für andere hingegen ist der Griff zu Convenience Food immer noch einfacher.

 

Regionale Produkte sind in der Krise beliebt. Hofläden und Quartierläden beobachten einen stärkeren Absatz. Was denken Sie, werden die neuen Gewohnheiten auch nach der Krise anhalten?

 

Das hoffe ich. Eine gesunde Ernährung ist eine wichtige Basis für unsere Vitalität sowie Wohlbefinden. In Kombination mit einem gesunden Lifestyle können wir langfristig präventiv unsere Gesundheit unterstützen und so auch sogenannte «Zivilisationskrankheiten», wie beispielsweise Herzkreislauferkrankungen, Übergewicht oder Diabetes, verhindern. Regionale Produkte spielen dabei eine zentrale Rolle, weil sie saisonal gegessen und somit reif -und nährstoffreich geerntet werden und ausserdem die Umwelt durch kürzere Transportwege schonen. Wir machen damit etwas für unsere Gesundheit und unseren Planeten.

 

Das sind die wichtigen Mikronährstoffe

  • Sonnenvitamin – Vitamin D

  • Vitamin A (Käse, Eier, Fleisch, Fisch, via beta-Carotin: Süsskartoffeln, Karotte, Kurkuma, Brokkoli, Blattgemüse etc.)

  • Vitamin C (Brokkoli, Grünkohl, Rosenkohl, Orange, Zitrone, Sanddornsaft)

  • Selen (Nüsse v.a. Paranuss, Pilze, Hülsenfrüchte, Eier, Fleisch, Fisch)

  • Zink (Haferflocken, Kürbiskerne, Nüsse, Eier, Käse, Fleisch)

  • Omega 3 (Leinsamen, Hanfsamen, Baumnüsse, Öle wie Lein-, Hanf-, Baumnussöl, Algen, Fisch)

  • Allg. sekundäre Pflanzenstoffe – lassen sich insbesondere in Biogemüse-und Früchten, sowie Nüssen finden

 

Das Interview führte Manuela Bruhin, Redaktorin von «Die Ostschweiz».